Love Letter to a Snowman

A text by Rebekka Löffler / 2016 / EN, DE

Love Letter to a Snowman

My beloved snowman,

Often, we have a choice between illusion and truth. One is just a blink from the other. Sometimes, I would love to leave my eyes completely open. But without blinking, I cannot manage to do it for too long. Yet keeping them closed does not help me either. Then, I live as if I am in one of those dreams in which I think I am awake, but I simply cannot get my eyes open. It is all in vain. I try to grope my way forward, searching for the way, hearing my surroundings, wanting to participate in it, wanting to see it… but my eyes simply do not want to see. It’s a huge, unreal, and motionless prison in darkness.

Finally, only steady blinking remains. Enter the reality, leave the illusion behind, and go back into the illusion. An airy swinging, an ‘ooh’ and an ‘aah’, a here and a there. At the end of the day, quite tired from blinking, I glide back again, but this time into another kind of illusion.

How long do you think you can bear to look into my eyes without blinking, my beloved illusion? Not very long, I think, because pretty soon you will find the way through my eyes into my soul. There, you will lose yourself, and thus quickly forget the control over your eyelid movement.

So, I win, as I always do, because I can blow soap bubbles and also burst them. Because you are nothing more than a snowman, built of three gigantic balls of snow which melt when the sun shines upon you, or you just roll down the steep slope when I kick and brace myself against it with all my strength. Wonderful! You can change your density, from snow to water; you can change your size, because snowballs get bigger when they roll down the slope. But when they finally end up in the stream, unfortunately they have to change their density again, and you will be easily washed away from the river of life. I have won again. I will certainly not search for your molecules in the many rivers of the world.

Maybe I will cry for you, as you were always so beautiful. You could transform your figure into infinitely shimmering shapes. You shone and twinkled, read my wishes from my lips, and comforted me when I put all my hope in you. But all this was only a part of you. Sunrays got caught in your robe of snow, and were refracted in thousands of sparkling ice crystals. They warmed me up, but they also dazzled me. They loved me, but they also changed me. After all, in the end, you are only a snowman, without warmth, without life. Lifeless and rigid, like a grey pebble. Grey eyes in which a soul will never be reflected.

And yet, yours,
always loving yours.

Liebesbrief an einen Schneemann

Meinem geliebten Schneemann,

des Öfteren haben wir die Wahl zwischen Illusion und Wahrheit. Die Eine ist von der Anderen nur ein Augenzwinkern entfernt. Am liebsten würde ich die Augen manchmal ganz auflassen, aber ohne Zwinkern komme ich nicht lange aus. Jedoch dies ganz zu lassen, bringt mich auch nicht weiter. Dann lebe ich wie in den Träumen, in denen ich denke, ich bin wach, aber bekomme die Augen einfach nicht auf. Es ist vergeblich. Ich taste mich voran, suche den Weg, höre meine Umgebung, will daran teilhaben, will sie sehen, aber meine Augen wollen einfach nichts sehen. Es ist ein großes, unwirkliches und bewegungsloses Gefängnis in der Dunkelheit.

Also bleibt mir schlussendlich nur das stetige Zwinkern. Rein in die Realität, raus aus der Illusion und wieder rein in die Illusion. Ein luftiges Schaukeln, ein ooh und ein aah, ein hier und ein da. Am Ende des Tages, vom Zwinkern ganz müde, gleite ich wieder rein, diesmal aber in eine andere Art von Illusion.

Wie lange hältst du es wohl aus, ohne zu zwinkern und in meine Augen zu schauen, meine geliebte Illusion? Ich glaube nicht lange, denn bald schon wirst du den Weg durch meine Augen in meine Seele gefunden haben und dort wirst du dich verlieren und damit die Kontrolle über deinen Lidschlag schnell vergessen haben.

Ich gewinne also, wie ich immer gewinne, weil ich Seifenblasen blasen kann und sie auch wieder zerplatzen lassen kann. Weil du nichts weiter bist, als ein Schneemann, gebaut aus drei riesigen Kugeln aus Schnee, die zerschmelzen, wenn die Sonne strahlt oder einfach den steilen Hang hinunterrollen, wenn ich dagegentrete und mich mit ganzem Körpereinsatz dagegenstemme. Wundervoll, du kannst deine Dichte verändern, von Schnee zu Wasser, du kannst deine Größe verändern, denn die Schneekugeln werden größer, wenn sie den Hang hinunterrollen, aber wenn sie dann im Bach landen, haben sie leider wieder ihre Dichte verändert und du wirst einfach hinweg gespült vom Fluss des Lebens. Ich habe wieder gewonnen. Ich werde deine Moleküle bestimmt nicht suchen in den vielen Flüssen der Welt.

Vielleicht werde ich um dich weinen, denn du warst immer so schön, konntest deine Gestalt in unendlich schimmernde Facetten verwandeln. Du hast gestrahlt und gefunkelt, hast mir Wünsche von den Lippen abgelesen und mich getröstet, wenn ich all meine Hoffnung in dich gesteckt habe. Aber das alles war nur ein Teil von dir. Sonnenstrahlen haben sich in deinem Schneegewand verfangen und sind in Tausenden von funkelnden Eiskristallen gebrochen. Sie haben mich gewärmt, aber auch geblendet. Sie haben mich geliebt, aber auch verändert. Denn am Ende, bist du doch nur ein Schneemann, ohne Wärme, ohne Leben. Leblos und starr, wie grauer Kies, wie graue Augen in denen sich niemals eine Seele spiegeln wird.

Und doch deine,
dich immer Liebende.

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